[Gastbeitrag] „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ – Unsere erste Reise nach Äthiopien
Heute gibt es einen Gastbeitrag von Edith und Stephan von Hummeln im Arsch. Die beiden waren bereits mehrfach in Äthiopien unterwegs und berichten heute für Backpacker’s Guide to the World von ihrer ersten Reise in dieses Land. Dabei ist es ihnen vor allem wichtig zu erzählen, wie sehr sie von Land und Landschaft geflasht wurden. Diese erste Reise, die Landschaft, die Menschen und ein 2-Tagestrek von Lalibela aus haben maßgeblich zu diesem Flash beigetragen und dazu geführt, dass die beiden mittlerweile viermal dort waren.
Reaktionen und Planänderungen
„Äthiopien?“, „Da ist doch Krieg!“, „Herrscht da nicht Hungersnot?“. Klassische Assoziationen, gepaart mit Neugier und Faszination, mit denen wir vor unserem ersten Trip in das ostafrikanische Land konfrontiert wurden. Nun ja, wir wussten ja auch nicht, was uns erwartet. Wir hatten Bilder im Netz gesehen, den Flughafen in Addis Ababa schon mal für einen Zwischenstopp betreten und wussten, dass wir von Frankfurt in knapp 6 1/2 Stunden dort sein würden, perfekt für einen zweiwöchigen Urlaub.
Unser Plan: Wir buchen erstmal vor Ort einen günstigen Inlandsflug. Pustekuchen: Inlandsflüge waren aus. Im Angebot: Überlandbusse oder ein eigenes Auto mit Fahrer.
Wer, wenn nicht wir, predigt von der Langsamkeit beim Reisen? Anstrengend, wenn Du nur zwei Wochen in einem Land verbringst, in dem die Straßenverhältnisse und Entfernungen eine zeitliche Herausforderung darstellen. Um unsere kostbaren Tage nicht auch noch mit endlosen Diskussionen über das Für und Wider unserer Optionen zu verbringen, hieß es: Schnell abwägen und entscheiden. Und dann auch mal runterkommen vom hohen Ross des Zeigefinger hebenden Backpackers. Auch wir wollten ja was sehen in den zwei Wochen. Und so geschah es, dass wir in einem fetten Landcruiser mit einem gechillten Fahrer am frühen Morgen raus aus dem Großstadtdschungel gen Norden aufbrachen. Wie dekadent, wie luxuriös… Und wie bequem! – Dachten wir spätestens am ersten Abend, als wir im Stockdunkeln unser erstes Hotel suchen mussten und bis vor die Tür gefahren wurden. Aber die wirklichen Vorteile des eigenen Fortbewegungsmittels erlebten wir erst in den nächsten Tagen.
Äthiopischer Pendlerverkehr und warum wir nicht nur wegen der Straßenverhältnisse Zeit brauchten…
Die Straßenverhältnisse? Schwierig. Kaum asphaltierte Routen, Sand und Schotterpisten oder ganz beliebt: „Road under construction“. Ostasiatische Investoren geben sich beim Ausbau der äthiopischen Infrastruktur die Klinke in die Hand. An dieser Stelle fragt sich der kritische Bürger dann schon, wozu gerade in den Straßenbau Geld gesteckt wird. Lastwagen, Busse, Fahrzeuge diverser Hilfsorganisationen, Ambulanzen und natürlich die 4WDs mit Touristen sind so ziemlich die einzigen motorisierten Transportmittel, die außerhalb der Städte unterwegs sind. Jeden Morgen kurz vor Sonnenaufgang starteten wir mit Daniel, unserem oft wortkargen Fahrer, der aber, wenn er spricht, sympathisch, witzig und auf seine Art auch irgendwie cool ist.
Stichwort: Pendlerverkehr. Die Straßen: Voll. Überlaufen von Menschen jeder Altersstufe, die natürlich zu Fuß unterwegs sind. Mit Ziegen- und Schafsherden, Eseln und Maultieren. Kilometerlange Wege zur Schule, zum Holz holen, wohin auch immer all diese Ströme ziehen – wir wissen es bis heute nicht. Aber der Personenfußverkehr auf äthiopischen Landstraßen verlangsamt nicht nur die Fahrt des oft rasenden äthiopischen Autofahrers, es lauert auch Gefahr für die Fußgänger. Die Menschen scheinen hier offenkundig nicht für Autogeräusche und Hupen sensibilisiert zu sein, so dass Du als Fahrer eines motorisierten Gefährtes höllisch aufpassen musst, dass Dir kein Tier und erst recht kein Mensch vor die Kühlerhaube rennt. Passiert das mit dem Tier dann aber doch mal, meint Daniel, sollte man sich besser ganz schnell aus dem Staub machen…
Der Zauber
Ich will gar nicht großkotzig klingen, aber es ist nun mal so, dass Stephan und ich miteinander und unabhängig voneinander schon echt einiges an großartigen Landschaften in dieser Welt gesehen haben. Doch dann kam Äthiopien. Der Weg von Woldia in den Tigray über Hawzien, Mekele, Aksum und im Loop in die Siem Mountains. Es gab Abschnitte auf dieser Route, in denen wir nur noch mit offenen Mündern aus dem Fenster starrten. An uns vorbei zogen Berglandschaften, die sich von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde in einer solchen atemberaubenden und unglaublichen Schönheit präsentierten, dass wir uns einig waren: Eine solch abwechslungsreiche Natur, schroff und karg, steinig und felsig, saftig und grün, unberührt und weit, eine Landschaft wie diese hat uns beide gleichermaßen umgehauen, wie keine andere bis dahin. Äthiopiens landschaftlicher Zauber hatte uns uns gepackt!
Lalibela
Endstation für unsere Tour mit dem Auto wurde Lalibela, einer der wohl touristischsten Orte Äthiopiens, ab vom Schuss in einer weiten Berglandschaft. Unser erster Trip hierher im europäischen Herbst, wurde belohnt von kräftigem Grün der Landschaft. Eine Reise nach Äthiopien ist übrigens zu jedem Zeitpunkt absolut empfehlenswert, da jede klimatische Zeit und die damit verbundenen Naturschauspiele ihren eigenen Charme hat. Zurück nach Lalibela. Die Felsenkirchen sind ein MUSS! Spiritualität und Atmosphäre haben uns jedes mal aufs Neue eingefangen, unbeschreiblich, sollte unbedingt erlebt werden!
Trekking, noch mehr Zauber und ein Klo mit Aussicht
Ein anderes MUST DO ist eine Wanderung raus in die Berge. Wir waren zwei Tage unterwegs und erlebten im Besonderen den Ausblick und die Abgeschiedenheit unserer Unterkunft in der Nacht. Aber von vorne. Wir sind gegen Mittag in der prallen Sonne gestartet, was eigentlich ganz schön unsinnig war. Zumal die erste halbe Stunde eine kleine Stadtführung innerhalb Lalibelas war, dass sich bis zum Zentrum steil in die Länge zieht. Hier angekommen warteten zwei Einheimische mit ihren Eseln auf uns, die unser Gepäck mit gefühlten 10 kg Fotoausrüstung trugen. Getnet, unser Guide, führte uns über vier Stunden bergauf. An uns vorbei rannten nicht nur die Eselführer in ihren Hartplastik-Schwimmsandalen. Die Schulkinder, in ähnlich gewagten Schuhen, überholten uns rasant, als sie ihren täglichen kilometerlangen Schulweg den Berg hoch nach Hause antraten. Von Schweißflecken und Salzrändern, wie sie unsere Kleidung schmückten, keine Spur. Wasserhaushalt ausgleichen? Scheinbar ein Fremdwort für die Einheimischen. Die Wanderung war stramm. Zwischen Lalibela auf etwa 2500 Meter und unserem nächtlichen Rastplatz lagen mehr als 1000 Höhenmeter. Der Endspurt war eine reine Klettertour. Zwischen den engen Felswänden kraxelten wir vielleicht 40, 50 Meter vertikal zum Hilltop. Vielleicht waren es auch nur 30 Meter, aber die hatten es in sich.
Angekommen am Ziel setzte sich der Landschaftszauber fort. Drei Tukuls (traditionelle Rundhütten) am Rande der Felskante. Ein Panorama, dass uns beide die Gänsehaut auf den Körper trieb. Im strahlenden Sonnenschein, von kräftigem Wind umpustet und in die Ferne blickend hätte ich mich vor Entzücken und einem kribbeligen Gefühl von Zufriedenheit in den Gliedern in diesem Augenblick einfach nur schütteln können.
Bei heißem Tee und süßer Kita (ein sehr leckerer Teigfladen- absolut empfehlenswert mit äthiopischen Honig) konnten wir die späten Nachmittagsstunden mit den letzten Sonnenstrahlen auf der Nase genießen. So traumhaft der Ort, so ungeschützt war er auch. Mit der untergehenden Sonne wurde es empfindlich windig und kalt. Obwohl ich nun wirklich eine Frosttüte bin, konnte ich nicht umhin, Getnet meine Outdoorjacke zu leihen. Der saß bibbernd im Sweatshirt draußen, weil er seine eigene Jacke irgendwo auf einem Trek hatte liegen lassen. Als es dunkel war, zog uns dann die Wärme des Feuers ziemlich schnell in die Hütte, wo wir mit heißer Suppe und Abendbrot umsorgt wurden.
Die Trekking Organisation TESFA, mit der wir unterwegs waren, ist übrigens ein sehr empfehlenswertes Community-Projekt, dem die Einbindung und Unterstützung der einheimischen Dorfbevölkerung zugrunde liegt. Bei jedem Trek ist mindestens ein Local Guide dabei, der aus dem der Unterkunft naheliegenden Ort stammt. TESFA organisiert die Rahmenbedingungen wie den Englisch sprechenden Guide, Autos, o.Ä.. Die gewählten Gemeindemitglieder vor Ort sorgen für das Wohlbefinden in den Unterkünften vom leckeren Essen bis zum warmen Feuer und werden am Gewinn beteiligt.
Fließendes Wasser oder gar eine richtige Toilette gab es hier natürlich nicht. Aber ein hübsches Häuschen mit einem nett gezimmerten Plumpsklo durchaus. Die Hütte mit einem offenen Fenster stand direkt am Rand der Klippe. So gebaut, dass wir selbst beim Toilettengang die frische Brise spüren und als Highlight eine traumhafte Aussicht genießen konnten.
Salz im Kaffee und Tränen in den Augen
Abgerundet in Sachen Gastfreundlichkeit wurde unser Trip am nächsten Tag, als wir am Dorf unserer Gastgeber vorbei kamen. Neugierig, wie wir sind, haben wir direkt gefragt, ob es nicht möglich ist, einen kurzen Abstecher ins Dorf zu machen. Prompt folgte eine Einladung in das Haus unseres Local Guides. Haus meint hier ebenfalls eine Rundhütte aus Lehm, die wir am liebsten postwendend wieder verlassen hätten. Im ersten Moment hatte ich das Gefühl im Smog des Feuers keine Luft mehr zu bekommen. Der Rauch füllte die enge und dunkle Hütte so stark, dass unsere Augen tränten. Durch den nur geringen Lichteinfall und den Nebel brauchten wir eine ganze Weile bis wir unsere Umgebung überhaupt wahrnehmen konnten. In der Mitte eine Feuerstelle, rundherum Sitz- und Schlafplätze auf dem harten Stein, ausgekleidet mit Decken. Die Tiere der Familie leben mit im Haus, allein schon der Wärme wegen, die sie abgeben. Im hinteren Teil des Gebäudes befand sich eine Kammer mit Küchenutensilien und Vorräten. Kaum in der Hütte, wurde uns Kaffee angeboten und frisches Injera gebacken. Wie so häufig, obwohl noch vom Frühstück gesättigt, wäre es unhöflich gewesen, abzulehnen. Sehr speziell und einer ziemlich großen Überwindung bedürftig wurde aber der Genuss des Kaffees. Stark und süß waren wir schon gewohnt. In den Bergen ist es jedoch schwierig Zucker zu bekommen, was die Einheimischen dazu führt, ihren Kaffee stattdessen mit Salz zu pimpen. Uns stellte sich im ersten Moment natürlich schnell die Frage, warum der Kaffee nicht ohne Zusatz getrunken wird. Einen Denkschritt weiter konnten wir uns auch selbst die Antwort geben: Salz birgt Nährstoffe, die der Körper braucht. Das Leben hier oben ist ziemlich hart und entbehrungsreich, die Menschen brauchen Energie.
Die Wanderung endete schließlich an einer Felsenkirche außerhalb Lalibelas. Wir konnten hier nur einen Bruchteil dessen erzählen, was wir auf unserer ersten Reise nach Äthiopien erlebt haben. Dass diese Erlebnisse uns maßgeblich beeinflusst haben, wird spätestens klar, wenn wir berichten, dass wir mittlerweile zum 4. Mal dort waren und sicher wiederkommen werden!
Über die Autoren: Edith und Stephan von „Hummeln im Arsch“ sind zwei Kölner, deren Leidenschaft und zugleich Sehnsucht das Reisen ist, so wird jeder mögliche Urlaubstag auch genutzt. Dabei versucht Stephan immer die Geschichte hinter den Bildern beim Fotografieren mit einzufangen. Im Laufe der Jahre wuchs der Wunsch der Beiden nach mehr, nach längeren Reisen, fernab der üblichen Traveller-Routen, nach Expeditionen ins Unbekannte und dem Erleben fremder Kulturen. So ist eine Überland-Reise von Köln nach Australien in Planung. Auf ihrem Blog „Hummeln im Arsch“ erzählen die beiden ihre Geschichten und zeigen wunderschöne Bilder von ihren Reisen nach Asien und Afrika. Folgen kann man ihnen auf Twitter oder Facebook.