[Buchreview] So sind sie, die Japaner
Andere Länder, andere Sitten – Ganz alltägliche Verhaltensweisen können je nach Reiseland für den ein oder anderen Touri eine Blamage bedeuten. Hier setzen Reiseführer an, die sich speziell mit der Kultur und den Einwohnern eines Reiselandes beschäftigen. Die neue Reihe „die Fremdenversteher“ des Verlags Reise Know-How beschäftigt sich mit kulturellen Unterschieden mit Humor. Ich habe mir das Exemplar über Japan „So sind sie, die Japaner“ mal etwas genauer angeschaut, weil ich bereits zehn Mal in Japan war. Die längste „Reise“ dauerte sogar ganze 19 Monate, in denen ich Japan sowohl als Touristin als auch als „Einheimische“ erkunden durfte. Gewohnt habe ich dabei im Herzen von Tokyo oder besser in einem der vielen Herzen. Dort habe ich studiert und auch in japanischen Forschungseinrichtungen mit Japanern zusammen gearbeitet und habe viele japanische und in Japan lebende Freunde.
So sind sie, die Japaner ist mit 108 Seiten sehr kompakt, sodass ich es in kurzer Zeit durchlesen konnte. Der Umfang ist genau richtig für jemanden, der einen groben Überblick haben möchte, aber nicht viel Zeit zum Lesen hat. Allerdings sollte man sich als Leser bewusst machen, dass aufgrund der Kürze und des Humors sehr starke Archetypen gezeichnet werden. Das beginnt bereits auf dem Umschlag des Buches: „In Japan möchte sich jeder von allen anderen unterscheiden und zwar auf genau die gleiche Art.“
Es gibt viele Aspekte, die irgendwie zum Japanisch-Sein dazu gehören. Einer dieser Aspekte wird sehr treffend zu Beginn des Buches beschrieben: uchi und soto – innen und außen. Ich als europäisch aussehende Ausländerin habe sehr oft zu spüren bekommen, dass ich soto bin. Egal, wo ich hinging, egal was ich tat, immer wurde ich direkt als Ausländer eingestuft. Mancher fragt sich jetzt vielleicht was daran so schlimm ist, denn Ausländerin war und bin ich ja allemal. Aber damit gehen Vorurteile einher, bei denen ich mir wünschte, dass es sie nicht gäbe. Die Japaner meinen das nicht böse, es gehört irgendwie zu ihrer Kultur dazu. Das Buch fängt diese Problematik sehr gut ein. Nicht nur uchi und soto, auch andere Beschreibungen passen wie die Faust auf’s Auge und ich habe einige der beschriebenen Situationen selbst in ähnlicher Weise erlebt.
In vielen Stellen ist das Buch zwar sehr treffend und auch sehr lustig, allerdings hat es leider auch ein paar Schwächen. Am wenigsten hat mir die oben beschriebene Stereotypisierung gefallen. Diese ist an vielen Stellen viel zu stark. So stark, dass sogar falsche Informationen vermittelt werden. Ursprünglich ist es wahrscheinlich lustig gemeint, jedoch fiel es mir sehr schwer den Humor an manchen Stellen zu finden. Es wird beispielsweise behauptet, dass alle Japaner immer Reis in ihren Lunchboxen haben. Dabei wäre es sicher nicht kompliziert gewesen jeweils richtige Informationen auf lustige Art und Weise zu vermitteln.
Japan ist ein Land, das sich rasend schnell verändert, vor allem was Technologie betrifft. Smartphones haben sich wie ein Lauffeuer verbreitet und sind im Alltag überall präsent, vor allem in der U-Bahn beschäftigen sich viele Japaner damit. Daher hat es mich sehr gewundert, dass kaum etwas zu Smartphones erwähnt ist. Stattdessen steht im typischen Tagesablauf einer japanischen Familie, dass der Vater auf dem Rückweg von der Arbeit wie alle anderen Geschäftsmänner auch einen Sado-Maso-Komik in der Bahn lesen würde. Ich will jetzt nicht ausschließen, dass es solche Geschäftsmänner gibt, aber alle betrifft es auf keinen Fall. Ich habe noch keinen einzigen wahrgenommen. Wenn es ironisch oder lustig gemeint war, so ist das an mir vorbei gegangen. Die Texte des Buches basieren auf den englisch-sprachigen Xenophobe’s® Guides, deren Japan-Ausgabe bereits 2010 erschienen ist. Zwar habe ich mir die englische Original-Ausgabe nicht angesehen, allerdings stimmen die Autoren größtenteils überein. Dass die Textbasis von 2010 ist erklärt vielleicht auch, wieso einige Informationen mir sehr veraltet vorkamen. Ich habe Japan erst 2012 zum ersten Mal bereist.
Fazit: Eine Mischung aus treffenden sehr lustigen Beschreibungen und starker Stereotypisierung mit teilweise älteren Informationen. Wer einen möglichst kompakten, aber lustigen Überblick über die japanische Kultur haben möchte und in Kauf nimmt nicht zu 100% auf dem aktuellen Stand zu sein, dem würde ich dieses Buch empfehlen. Wer mit Japanern arbeiten möchte sollte dieses Buch jedoch lediglich eine Ergänzung und keinesfalls die einzige Lektüre nutzen.
Ich lese übrigens gerade die Ausgabe über die Amerikaner, die ich bisher wirklich gut finde. Für Interessenten folgt bald eine Review zu diesem Exemplar.
あわてないでください!
Mir wurde ein Rezessionsexemplar von „So sind sie, die Japaner“ für diese Review zur Verfügung gestellt. Für diesen Artikel habe ich keine Vergütung oder ähnliches erhalten.